Controlling heißt Lernen – it´s still a long way

Wir haben eine Mission: Seit über 30 Jahren träumen wir den Traum eines wirkungsvollen, normativ begründeten, strategisch orientierten und operativ funktionierenden Controllings. Damit meinen wir ein Controlling, dass das gesamte Unternehmen, die gesamte Organisation zur Reflexion und zum Lernen bringt. So passiert kein Erfolg auf Knopfdruck, aber es gelingt zumindest immer besser, das Wissen darüber zu provozieren und zu verbreiten, wo und wie die Wege zum Erfolg am besten zu suchen und zu finden sind. – „Leute, hört auf die Controller!“, bedeutet der eine Teil der Wahrheit. „Controller, redet mit den Leuten!“ ist sein wesentliches Gegenstück. Beides zusammen klingt sehr einfach, ist von der uns täglich begegnenden Realität jedoch noch immer ein ganzes Stück weit entfernt.

Controlling ist – am Ende – immer Kommunikation

Controlling ist eben nicht nur das, was die Controller – und damit sprechen wir im Folgenden auch alle Controllerinnen an – tun, sondern vielmehr das, was in der Aneignung und Anwendung durch andere daraus wird. Diese Wahrheit impliziert einen kompletten Rollenwechsel, verbunden mit einem deutlich größer dimensionierten Verantwortungsbereich als die erweiterten Zuschreibungen vom Fachmann zum Berater, vom Ruderer zum Steuermann oder vom Rationalitätssicherer zum ganzheitlich reflektierenden Change Agent. Wenn also heute – endlich! – darüber diskutiert wird, wie psychologische, kommunikative, emotionale und soziale Aspekte in die Logik des Controlling und die Kompetenzstruktur des Controllers zu integrieren sind (da es schließlich weniger um neutrale Information, sondern um ganz konkrete und individuell zu dosierende Verhaltenssteuerung geht), kommen wir zwar einen kleinen Schritt weiter, aber immer noch nicht zum eigentlichen Ziel. Der aktuell in der Fachpresse verbreitete Denkansatz popularisiert das Controlling in der handelnden Person, berücksichtigt jedoch zu wenig das umgebende System, um das es eigentlich geht. Dies ist tatsächlich dramatisch: Das unsere (Unternehmens-)Zukunft sichernde Controlling hinkt in seiner Selbstreflexion der Wirklichkeit, die es doch proaktiv steuern und mitgestalten soll, mit riesengroßen Schritten hinterher.

Zurück auf Anfang: Nicht die Controller machen das Controlling!

Selbst bei den Gläubigen bringt unser Mantra gelegentlich ungläubiges Staunen oder zumindest Verwirrung hervor. Doch darin liegt der eigentliche Kern einer veränderungswirksamen Idee: Controlling, das mehr ist als eine gelungene Jonglage von Zahlen, Berichten und Szenarien, zielt auf die Verbreitung seiner eigenen Philosophie. Und zwar so weit und so lange, bis es den Controller per se überflüssig macht. Rein beratend bzw. von einer übergeordneten Perspektive oder gar aus dem stillen Kämmerlein (der buchhalterischen Katakomben) heraus kann dies allerdings nicht gelingen. Die Controller müssen sich selbst viel mehr ins Spiel bringen, um andere dazu befähigen, Controlling in ihrem Sinne zu tun. Ihre wichtigsten Sparringspartner dabei sind – noch immer – intelligente Führungskräfte. Diese werden von den selbst bewusster agierenden, aktiv kommunizierenden Controllern nicht von ihren hoheitlichen Aufgaben der Kommunikation und Entscheidungsfindung befreit. Wohl aber erhalten sie im gelungenen Zusammenspiel – auf der Basis effektiver Planungs-, Kontroll- und Informationssysteme – eine ungleich höhere Qualität und Dichte an Verhaltens- und Handlungsoptionen, die es nach Wichtigkeit, Dringlichkeit und Machbarkeit für den Unternehmensprozess bis zum einzelnen Mitarbeiter zu sortieren, zu priorisieren und zu übersetzen gilt. In Zeiten des extremen Wandels zielt das Controlling daher auf eine optimale Innovations- und Entwicklungsqualität – soweit und so gut wie es zur jeweiligen Situation und Verfasstheit der Organisation eben passt.

Psychologie statt Betriebswirtschaft?

Eines ist sicher: Die Zusammenhänge des unternehmerischen Handelns werden nicht einfacher, sondern ganz im Gegenteil zunehmend komplexer, sprunghafter, globaler und vernetzter im Kontext der Entwicklungen einer digitalen Welt. Der rational agierende homo oeconomicus hat längst ausgedient, er braucht zumindest die Unterstützung einer soziologischen und psychologischen Reflexion. Darin – und nicht, weil psychologische Themen gerade en vogue wären – liegt die enorme Herausforderung für das neu zu (er-)findende personale und organisationale Eignungsprofil der überlebenswichtigen Steuerungsfunktion. Da gleichzeitig nicht zu erwarten ist, dass controllingspezifisches Wissen und Expertise künftig von allen, die sich dazu berufen fühlen, einfach zu googeln sind, bleibt die Basisanforderung einer fundierten und ständig aktualisierten Fachqualifikation. Die übergreifende Kompetenz des Einordnens, Vermittelns, also der Interpretation und Kommunikation von Bezügen und Wirkungen kommt als Schlüsselqualifikation dazu. Kommunizieren heißt jedoch Farbe bekennen, Stellung beziehen – und damit den zumindest definitorisch geschützten Bereichs „neutraler“ Information zu transzendieren. Für traditionelle Rollenkonzepte und den üblichen Zuschnitt der Controllingpositionen bedeutet dies eine Revolution.

Ziehen Sie dem Controlling die Hosen an …

Die landläufigen Ansätze, wie Controlling zu funktionieren hat, müssen also vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Darunter kann man die Diskussion um das verhaltens- oder wirkungsorientierte Controlling subsummieren.

… und die Laufschuhe noch dazu!

Doch das „neue“ Denken wird von der aktuellen Wirklichkeit längst überholt. Die Aufgabe des Controllings im Veränderungskontext ist es eben nicht nur, das Spielfeld zu gestalten (statt lediglich zu verwalten), sondern den Ball immer wieder neu ins Spiel zu bringen und damit selbst sichtbar und aktiv zu werden. Strategie und Operation sind dabei untrennbar miteinander verbunden, – nachdem sie zuvor und in einem institutionalisierten Prozess präzise geplant und durchdacht worden sind. Modernes Controlling wird – um im Bild zu bleiben – weder von der Tribüne noch von der Umkleide aus realisiert. Dazu braucht es ein selbst sich veränderndes, also lernfähiges Controlling und eine Organisation, die diese Funktion in ihrem Selbstverständnis als lebenswichtig und immanent begreift. In den alten Strukturen und Prozessen geht dieser Anspruch sofort unter. Verhaltens- und handlungsorientiertes Controlling darf sich nicht hinter einem noch so professionell ausgestalteten Berichtswesen verstecken. Wirkungsorientiertes Controlling muss endlich von der vermeintlichen Fach- zur übergreifenden Querschnittsfunktion in den Unternehmen werden. Lernorientiertes Controlling bedarf einer neuen, anderen, flexibleren und anpassungsfähigeren Organisation.

Das Spiel heißt „VuCaCo“, spielen Sie mit!

Zwar wurde an dieser Stelle schon mehrfach der Hype der Buzzwords angeprangert, zu denen auch das Akronym für die volatile, unsichere, komplexe (engl. complex) und ambivalente Wirklichkeit unseres alltäglichen und professionellen Handelns und Erlebens zählt. Andererseits haben Begriffe auch eine ganz pragmatische Funktion, nämlich zum Be-Greifen, also sensiblen An- und Erfassen des Neuen als erster und unabdingbarer Voraussetzung für Akzeptanz und Veränderungsmotivation. VuCaCo könnte eine Möglichkeit sein, das Controlling subtil und spielerisch, aber dennoch realitätskonform weiter zu entwickeln. Lassen Sie sich den Begriff ruhig auf der Zunge zergehen, – es wird Ihnen gefallen (das hat auch psycholinguistische Gründe, die hier auszuführen zu weit ginge, aber trefflich nachzulesen sind in der aktuellen Ausgabe von Gehirn & Geist 08/16). Und damit ist die Intention auch dieses Beitrags zunächst erfüllt. Erst Aufmerksamkeit generiert den nötigen Spielraum zum Handeln, – das gilt für das Controlling wie für das ganz normale Lebensspiel. Allen hierfür ganz viel Spaß!

Anja Ebert-Steinhübel
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