Beratung

Erst die Lösung, dann das Problem – Wie Beratung nicht funktioniert

„Der Begriff Beratung bezeichnet umgangssprachlich ein strukturiertes Gespräch oder eine vergleichbare Kommunikationsform (Brief, E-Mail o. ä.) oder auch eine praktische Anleitung, die zum Ziel hat, eine Aufgabe oder ein Problem zu lösen oder sich der Lösung anzunähern. Meist wird Beratung im Sinne von „jemandem in helfender Absicht Ratschläge erteilen“ verwendet.“ (Quelle: Wikipedia)

Aus dieser Definition lassen sich zwei entscheidende Elemente eines Beratungsprozesses entnehmen:

  1. Beratung erfordert Kommunikation
  2. Beratung beinhaltet die Suche nach der Lösung für ein Problem

 

Welche Daseinsberechtigung haben Berater?

Da Menschen, innerhalb und außerhalb von Unternehmen, zum einen gerne kommunizieren und zum anderen oftmals mehr Probleme als Lösungen mit sich herum tragen, ergibt sich schon fast zwangsläufig ein großes Potenzial für Berater: Ernährungsberater, Beziehungsberater, Erziehungsberater oder eben auch Unternehmensberater. Während Erstere drei sich bei den meisten Privatpersonen oftmals – freiwillig, unfreiwillig oder gerne auch mal unaufgefordert – aus dem Freundes- und Bekanntenkreis rekrutieren, bilden Letztere eine eigene Branche, welche zwar schon immer kritisiert wurde, welcher zuletzt auch immer mehr die gesamte Daseinsberechtigung abgesprochen wurde.

So rät Ben Schulz in seinem sehr lesenswerten Artikel bei Business Punk jungen Talenten zumindest davon ab, bei einem der großen Beratungsunternehmen einzusteigen: „Denn Tom hat seine Identität an der Tür des Meetingraums abgegeben. Und ihm schwant, dass sich dem Problem des Konzerns – ja: einem handfesten Problem! – nicht mit Powerpoints und Excel beikommen lässt. Tom fühlt sich wie ein Blender, ein Ja-Sager, ein Leiharbeiter in Armani.“ Über das für und wider, sich als Mensch in solch einer Struktur und Kultur kurzfristig oder auch länger aufzuhalten, lässt sich – je nach Wertekanon und Kontostand – trefflich streiten.

Im Artikel von Ben Schulz ist mir jedoch – einmal mehr – noch ein anderes, grundsätzliches Problem des „Beratungsgeschäfts“ aufgefallen: „Gut, dass das Beratungshaus eine feste Methode hat, wie vorzugehen ist. Das Standardschema lässt sich auch von den Youngsters – natürlich nur mit Extremeinsatz – für den Top-Kunden umsetzen.“ Dieses Phänomen wird von Beratungsunternehmen natürlich ganz anders artikuliert: „Bewährte Instrumente“, „etablierte Prozesse“, „erprobte Strategien“ und natürlich der gute alte „Best Practice Case“.  Doch egal, welche wohlklingende Worthülse man nun über die Sache stülpt, im Kern bleibt der Gedanke: „Wir bringen die perfekte Lösung. Die wird sicher auch für Ihr Problem passen.“

 

Beratung – richtig gemacht

Natürlich benötigt ein Berater eine gewisse Expertise in seinen Themengebieten, welche auch eine Vorstellung von den mit den Kunden zu durchlaufenden Prozessen, wie bspw. einer Strategieentwicklung, beinhalten sollte. Hierbei müssen jedoch, analog zu der oben zitierten Definition, zwei „Grundtugenden“ der Beratung berücksichtigt werden.

  1. Jedem Lösungsweg muss zunächst einmal die Analyse und Spezifikation des Problems vorhergehen. Um dieses sinnvoll zu erörtern, muss bzw. darf man zwangsläufig mit Menschen kommunizieren und nicht nur Daten auswerten. Und falls dies tatsächlich angemerkt werden muss: Dieses „Kommunizieren“ erfordert neben dem Reden auch das aktive Zuhören.
  2. Will man mit einem Kunden gemeinsam die Lösung für ein Problem finden, ist eine feste Überzeugung dahingehend, dass man eine perfekte Lösung schon seit Tag 1 parat hat bzw. haben sollte, gelinde gesagt eher wenig hilfreich.

Um als Berater also einen tatsächlichen Mehrwert für den Kunden zu stiften, gilt es zunächst einmal zuzuhören und dann in einem Prozess auf Augenhöhe neue Lösungswege zu erarbeiten. Dies erfordert Fach- und Methodenwissen – welches sich aber nicht dadurch auszeichnet, dass es für alle denkbaren Aufgabenstellungen ad hoc die einzig wahre Lösung bereit hält, sondern sich flexibel auf die Situation und Bedürfnisse des Kunden adaptieren lässt. Denn Best Practice Lösungen und Standard-Vorgehensweisen aus der Konserve bietet inzwischen auch Google an, zu äußerst konkurrenzfähigen Tagessätzen.

Will ein Beratungsunternehmen diese Maximen beherzigen, müssen diese schon in der Unternehmenskultur verankert werden. Der Umgang mit den Ideen und dem Wissen des Kunden ist kein zu verordnender Prozessschritt, sondern eine Frage der Unternehmenswerte und der persönlichen Einstellung.

Und an dieser Stelle schließt sich der Kreis zur eingangs angesprochenen Thematik des Einstiegs junger Talente in das Beratungsgeschäft. Denn der Umgang des Unternehmens mit neuen Mitarbeitern kann deren Arbeit als Berater entscheidend prägen: Wer eine Wertschätzung und Offenheit für das eigene Wissen und die eigenen Herangehensweisen erfährt, wird höchstwahrscheinlich auch mit diesem offenen Denkansatz an die Herausforderungen der zukünftigen Kunden herangehen. Wer dagegen vom ersten Tag an dahingehend indoktriniert wird, das die althergebrachten Erfolgsrezepte des Unternehmens die einzig gangbare Vorgehensweise darstellen, wird in seiner Arbeit eher selten den Blick auf die wahren Ursachen eines Problems oder gar eine innovative Lösung für dieses richten. Gerade diese neuen Wege, welche nicht auf einem standardisierten „Berater-Werkzeugkasten“ beruhen, sondern auf einer individuellen Analyse des Kundenunternehmens und seines spezifischen Marktumfeldes basieren, ermöglichen es Kunden und Beratern, Ungedachtes denkbar zu machen.

 

Sebastian Reek
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